1953 Vespa Faro Basso


Oh nein, es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Vielmehr war es der Preis der mich bewog, das Ding zu kaufen. Es ist nicht so, dass sie mir nicht gefällt, aber als Fan grosser Amischlitten und alten Harleys, fällt eine kleine Vespa nicht gerade unter das Beuteschema. Nebst den Big-Block-Amis und der Harley-Davidson FLH, geht die zierliche Italienerin förmlich verloren. Der Preis klang am Telefon tatsächlich sehr günstig. Zumal es sich um eine Faro Basso handeln soll, die erst noch komplett restauriert dastehen soll. Die Vespa der ersten Serie wird wegen der untenliegenden Lampe Faro Basso genannt. Nur gerade die ersten xxx Jahre war dies so, anschliessend wanderte die Lampe nach oben an den Lenker. Und da wir hier von einer Bauzeit von 1947 – 1956 reden, ist ein Grossteil dieses Massenprodukts schlicht weggerostet.

 

Wie bereits erwähnt, es ist nicht so, dass mir die Vespa besonders gut gefällt. Hübsch ja, aber sie haut mich nicht vom Sockel. Als ich einmal vor einem Vespa-Fan sagte, dass mir die Lambrettas viel besser gefallen, die würden mehr hergeben und seien optisch viel attraktiver als die schlichten und beinahe langweiligen Vespas, wollte der mich beinahe lynchen. Er japste kurz nach Luft und schöpfte dann aus dem Vollen. Ob ich vom Wahnsinn umzingelt sei, eine Lambretta in Sachen Schönheit vor eine Vespa zu stellen?! Denn gerade diese Schlichtheit, diese vollendete Eleganz, die mit dem schönsten Hüftschwung der Welt, den Designer jemals entwarfen endet, könne man nie und nimmer mit einer popligen Lambretta vergleichen! Ich hielt mich sofort zurück, ich glaubte ein Wort mehr von mir gegen Vespa und er haut mir einen vor den Latz! Dass er einen Kopf kleiner war als ich, hätte ihn ganz bestimmt nicht daran gehindert, ging es doch um die Ehre seiner Vespas. Ich liess mir seine Worte durch den Kopf gehen und nahm mir fest vor, diese beschriebene Eleganz genauer zu prüfen, sollte ich vor einer Vespa stehen.

 

Ganz unrecht hat der Mann nicht. Tatsächlich hat es Vespa zu Stande gebracht, der Menschheit mit quasi nichts, etwas Grossartiges zu präsentieren. Es ist überhaupt eine Stärke der Italiener, mit wenigen Strichen eine grossartige und zeitlose Form zu entwerfen. Ich erinnere an Bertone, Zagato oder Pininfarina, um nur einige der legendären Designer zu nennen. Dieses oftmals schlichte Design und feinen Linien mit nur einem Hauch an Chromteilen hat längst die Herzen der Oldtimerfreunde erobert. Wäre das nicht so, würden Alfa Romeo, Lancia und Co. nicht Verkaufspreise jenseits der Hunderttausendergrenze erzielen! Ferrari und Lamborghini die einer ganz anderen Liga angehören ausgenommen. Die Vespa fällt unter dieselbe Kategorie. Sie ist der Ferrari unter den Scootern und wird, in Anbetracht wie wenig Material daran steckt, zu astronomisch hohen Preisen angeboten und auch verkauft. Ich habe lange Zeit nicht begriffen, weshalb ein Stück gebogenes Blech und zwei am Heck befindliche Blechtropfen auf zwei «Karettenredli» solch hohe Preise erzielen? Der Verkauf einer Faro Basso Vespa für mehr als zehntausend Franken ist keine Seltenheit. Für diesen Betrag kaufe ich mir einen schönen Jaguar frisch ab MFK! Einen Occasion Mercedes oder BMW der Oberklasse oder einen brandneuen Dacia! Aber bei meiner Betrachtungsweise habe ich einen Punkt ausser Acht gelassen. Den des Kultstatus. Die Vespa ist einfach legendär. Sie ist die Mutter aller Scooter und ist heute noch ein Massstab der Fortbewegung für Zweiräder. Heute tragen viele Scooter den Überbegriff „Retrostyle“. Also dem alten nachgeahmt. Wenn ich eine fast siebzig jährige Vespa mit einem dieser neuen Scooter vergleiche, muss ich sagen, es hat sich eigentlich nicht viel verändert. Die Räder sind immer noch klein, der Motor sitzt hinten und die Windabweiser sind auch noch da. Nicht mehr aus Blech, sondern aus Plastik, aber sie haben noch immer dieselbe Aufgabe wie vor siebzig Jahren; den Wind abzuweisen.

 

Es war mein Götti, der mich während der Arbeit anrief und mir die Vespa feilhielt. Es war seine Vespa, die er vor Jahren einmal in seinem Nachbardorf in Ins in einem Keller ausgegraben hatte und zu restaurieren begann. Kurz bevor er die Restauration beendete, verkaufte er sie. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, mein Götti ist Italiener und das Temprament des Südländers wiederspiegelt sich im Kaufverhalten wieder. Wenn ihm etwas gefällt, muss er es haben. Doch so schnell wie das Feuer entfacht ist, erlischt es dann auch wieder und das Objekt muss weg. Sein Nachbar, ebenfalls Italiener, habe ihm die Vespa abgekauft. Doch nach ein – zwei Fahrten sei sie ihm verleidet und nun stehe sie wieder zum Verkauf. Diese Italiener ... Als ich den Preis jedoch hörte, musste ich handeln. Nur einen Tag nach dem Telefonat begab ich mich vor der Nachtschicht nach Finsterhennen, wo die Vespa stand. Mit meinem Götti zusammen begaben wir uns zu Maurizio, dem Nachbar, dem die Vespa gehörte. Maurizio führte uns neben das Einfamilienhaus, wo die Vespa unter einer Plastikplane zugedeckt hinter zwei Autos stand. Anfangs glaubte ich, die wurde nur für den Besichtigungszweck hier abgestellt, doch als Maurizio die Plane wegzog und darunter eine stark verschmutzte Faro Basso zum Vorschein kam, wusste ich, dass dies nicht der Fall war. Auf dem Trittbrett hatte sich Wasser angesammelt, Wasser und sehr viel Dreck. Die Lampe auf dem Schutzblech hatte Kondenswasser unter dem Glas, ebenfalls der Geschwindigkeitstacho. Der verchromte Lenker hatte bereits wieder Rostflecken, ebenfalls die Tachoumrahmung und andere Teile. Es war nicht gerade das, was ich mir unter einer restaurierten Vespa vorstellte.

 

Die Preisvorstellung von Maurizio für eine restaurierte Faro Basso Vespa wäre günstig gewesen, aber nicht für das da. Die Restauration wurde nicht sehr fachmännisch durchgeführt, zum Glück wurden wenigstens alle Originalteile wiederverwendet. Die lange Standzeit draussen unter der Plane war nicht sehr förderlich und setzte der Italienerin arg zu. Ich offerierte Maurizio meinen Preis und in Anbetracht der Fakten – einer schmutzigen und unfertigen Vespa – hatte ich gute Karten in der Hand. Meine Worte mussten den Italiener beeindruckt haben, er schlug ein und der Kauf wurde bei einem Kaffee umgesetzt. Bereits einen Tag später holte ich die Vespa mit dem Pferdetransportanhänger ab. Wieder zurück im Emmental, legte ich mit den geeigneten Reinigungsmitteln Hand an der Italienerin an. Nun steht die graue Eminenz mit fünfundsechzig Jahren, zumindest optisch, wieder flott in einer Sammlung. Zum Glück wurden die Restaurationsarbeiten elementarer Teile wie der Motor, Getriebe etc, fachmännisch von einem Vespa Kenner durchgeführt!